Ralf Rangnick in Kyjiw



FUSSBALLBOTSCHAFTER IM KRIEGSGEBIET

Der österreichische Nationaltrainer Ralf Rangnick hat Anfang August einmal mehr seine Überzeugung unter Beweis gestellt, dass Fußball mehr ist als nur ein Spiel. Auf Einladung des ukrainischen Fußballverbandes reiste Rangnick nach Kyjiw, um ein Trainerseminar zu leiten – nicht trotz, sondern gerade wegen des Krieges, der dort tobt. Seine Entscheidung, persönlich anzureisen und direkt mit den Trainern vor Ort zu arbeiten, spiegelt sein Verständnis des Fußballs als einzigartige Brücke wider, die Menschen auch in schwierigsten Zeiten verbinden kann. Für Rangnick, der sich auch in der Vergangenheit immer wieder zu schwierigen gesellschaftlichen Themen geäußert hat, war es mehr als ein fachlicher Austausch, es war ein Akt der Solidarität und ein deutliches Zeichen, dass der Fußball eine starke Plattform für positive Veränderungen und Unterstützung in schwierigen Zeiten sein kann.



SEMINARINITIATIVE WÄHREND DER UEFA EURO 2024

Die Einladung zum Seminar kam direkt von Andriy Shevchenko, dem Präsidenten des ukrainischen Fußballverbandes während der UEFA EURO 2024. Shevchenko, der Ralf Rangnicks Ruf als visionärer Trainer und Denker im Fußball kennt und schätzt, war überzeugt, dass Rangnick den ukrainischen Trainern die idealen Einblicke und Motivationen bieten konnte.

 

Ralf Rangnick Teamchef
ÖFB-Nationalteam

Als ich nach der EURO die Einladung von (Verbandspräsident) Andriy Shevchenko nach Kyjiw bekam, habe ich sofort zugesagt. Zum einen, weil Waleri Lobanovskyj einen sehr großen Einfluss auf meine Trainerkarriere hatte. Aber auch, weil es wichtig ist, der Ukraine in dieser schwierigen Zeit zu Seite zu stehen, und den Menschen zu zeigen, dass wir sie nicht alleine lassen. Ihr Kampf ist auch unser Kampf: sie stehen mit ihrem Leben für ein freies Europa und Demokratie ein.



THEORIE, PRAXIS & LUFTSCHUTZBUNKER

Zu Beginn des Seminars stellten Ralf Rangnick und Dr. Stefan Oesen die Prinzipien des legendären ukrainischen Fußballtrainers Valery Lobanovskyj vor, den er besonders schätzt. Rangnick interpretierte diese Prinzipien für den modernen Fußball und zog Parallelen zwischen den Ansätzen Lobanowskijs und seinen eigenen Methoden. Unterstützt durch Videomaterial, das Spielszenen von Dynamo Kyjiw aus den 1970er Jahren und der aktuellen österreichischen Nationalmannschaft zeigte, demonstrierte Rangnick, wie zeitlose Taktiken auch heute noch das Spiel beeinflussen können.

Der Vortrag wurde jedoch durch einen Fliegeralarm unterbrochen. Alle Anwesenden mussten Schutz suchen, was dem Seminar eine zusätzliche, unerwartete Dimension verlieh. Die Gelassenheit der anderen Teilnehmer und der Umgang mit der mittlerweile gewohnten Situation beeindruckte und beruhigte die Gäste aus Österreich. Eine solche Erfahrung verdeutlichte die realen Herausforderungen vor Ort, mit denen die Menschen in Kyjiw leben und zeigte die Belastbarkeit und den Willen der ukrainischen Teilnehmer.

Nachdem Entwarnung gegeben wurde und alle wohlbehalten zurückkehren konnten, setzte Rangnick das Seminar fort. Auf den theoretischen Teil folgte eine praktische Trainingseinheit mit der U17-Mannschaft von Shakhtar Donetsk, die Rangnick leitete. Dabei sollten die zuvor besprochenen taktischen Überlegungen umgesetzt werden. Die Trainingseinheit endete mit einem positiven Austausch zwischen Rangnick und den jungen Spielern und ihren Trainern, die die Gelegenheit hatten, von einem der renommiertesten Fußballtrainer zu lernen.

Ralf Rangnick Teamchef
ÖFB-Nationalteam

Wir mussten für eine halbe Stunde in den Luftschutz-Keller, aber insgesamt habe ich in den letzten zwei Stunden die Atmosphäre und die Energie aufgrund der anwesenden Menschen im Raum sehr genossen. Ich habe viele gute Fragen von den Kollegen gehört.



SPORT VERBINDET MENSCHEN

Die Anwesenheit von über 100 Zuhörern, darunter Trainer und Funktionäre, zeigte das große Interesse am Seminar mit dem österreichischen Teamchef. Neben der fachlichen Expertise beeindruckte vor allem die Tatsache, dass er trotz der schwierigen Umstände persönlich anwesend war und damit sein Engagement und seinen Wunsch nach Unterstützung vor Ort unterstrich.

Der Abschluss des Besuchs war geprägt von emotionalen Momenten, einschließlich eines Kranzniederlegens am Denkmal für Lobanowskyj und einem Besuch am Revolutionsplatz.

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Christoph Neuhold